Hersteller von Produkten genießen als Verkäufer ein größeres Vertrauen als viele Zwischenhändler. Der Hang zur Vertikalisierung setzt sich nun auch bei Handwerkern und Facility-Managern durch.
Vertikalisierung: Woher kommt der Trend?
Der Begriff „Vertikalisierung“ beschreibt einen Teil des Wertschöpfungsprozesses und hier genau genommen die Verbindung von vor- und nachgelagerten Stufen. Die Rollen von Herstellern und Händlern sind nicht mehr klar, Grenzen verschwinden immer häufiger. Es gilt als nicht mehr zeitgemäß, wenn Produkte nach ihrer Herstellung an einen Vertriebspartner gereicht werden, der sich dann wiederum an den Endkunden wendet. Eine Ursache dafür ist die Digitalisierung, die den Direktvertrieb vom Hersteller zum Endkunden überhaupt erst ermöglicht. Hersteller legen mehr Wert auf ihre Außenpräsenz, offene Strukturen sollen die Kundenbindung stärken. Das „vertikale Marketing“ ist ein Schlagwort im Onlinemarketing geworden, um das niemand mehr herumkommt.
Vertikalisierte Hersteller sind nicht mehr nur für die Produktion der Waren selbst zuständig, sondern sie müssen sich auch um das Erreichen der potenziellen Kunden kümmern, um das Wecken des Kaufinteresses und um die Kundenbindung. Dazu kommt auch eine beratende Funktion, die der Hersteller einnehmen muss, was deutlich macht, dass er den wichtigsten Part in der Wertschöpfungskette zugeschrieben bekommt. Die Machtverhältnisse zwischen allen, die normalerweise am Wertschöpfungsprozess beteiligt sind, haben sich damit deutlich verschoben.
Im Zusammenhang mit dem Begriff der Vertikalisierung geht es um den Direktvertrieb, der praktisch die Vertikalisierungsstrategie darstellt. Gemeint ist damit der direkte Verkauf der Herstellerprodukte an den Endkunden, wobei Zwischenhändler ausgeschaltet sind. Im B2B-Bereich findet der Direktvertrieb am Arbeitsplatz des Kunden statt. Bekannte Firmen, die derart agieren, sind Tupperware, Vorwerk, Dell und Würth. Würth ist bezeichnet seine Vertikalisierungsstrategie sogar als „Motor des Erfolgs“. Auch Handwerker und Facility Manager setzen mehr und mehr auf den Direktvertrieb, denn hier haben sie die Chance, die zu erwerbenden Produkte vorab anzusehen und zu testen. Niemand kauft blind, es gibt einen persönlichen Kontakt zwischen Hersteller und Käufer, die Beratung ist umfangreicher. Das ist vor allem bei den Produkten wichtig, die als besonders beratungsintensiv gelten.
Die Vorteile der Vertikalisierung liegen für die Hersteller auf der Hand:
- Hersteller werden als kompetent, stark und mit der nötigen Expertise ausgestattet wahrgenommen
- Onlinehändler bieten eine starke Kundenkommunikation, eine große Sortimentsbreite und große Warenverfügbarkeit
- vertikalisierte Hersteller bieten ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- in der Fashion-Branche gelten Vertikalisten als erste Anlaufstelle
Hersteller setzen mit Vertikalisierung auf frühere Händlervorteile
“Vertikale Hersteller“ trumpfen mit guter Organisation und Kundenkommunikation auf. Einst waren das die Vorteile der Händler, die mit ihrem umfassenden Sortiment und der direkten Kundenbeziehung punkteten. Weitere Vorteile waren die große Reichweite, außerdem waren Händler für Endkunden oder Kunden im B2B die nötige Voraussetzung, um überhaupt an die Produkte der Hersteller zu kommen. Heute hingegen, in Zeiten, in denen das Internet als Einkaufsanlaufstelle allgegenwärtig ist, können Händler weniger punkten, ihre Argumente schrumpfen zusehends. Moderne Handwerker kaufen online ein und das direkt beim Hersteller. Dessen Vertikalisierung lässt Argumente, die bisher als „Pro Händler“ galten, verblassen.
Verschiedene Marktplätze bieten Herstellern die Möglichkeit, sich dem Kunden gegenüber zu präsentieren. Damit wird die nötige Kundennähe geschaffen, die gewünschte Reichweite lässt sich spielend erlangen. Bekanntheit und Markenimage werden online erreicht, das ist weder im Onlinehandel noch beim Direktvertrieb ein Problem.
Es gibt allerdings Unterschiede zwischen den Herstellern und ihren Möglichkeiten. Zum einen gibt es einige große Marken, auf die kein Händler in seinem Sortiment verzichten möchte. Diese Marken werden für ihre Vertikalisierung nicht dadurch abgestraft, dass sie von den Händlern nicht mehr angeboten werden. Andere, besonders sehr kleine Marken, haben es schwerer. Sie gehen oftmals den Weg über eine bekannte Plattform wie Amazon oder Ebay und bieten ihre Produkte dort erstmalig an. Der Direktvertrieb kann durchaus zum Spagat für den Hersteller werden.
Manche Hersteller gehen einen ganz anderen Weg und überlassen den Händlern immer noch das gewohnte Feld. Dennoch agieren sie im Rahmen eines eigenen Vertriebs und veräußern Untermarken über eine eigene Plattform. Eine Konkurrenz zur etablierten Marke muss damit nicht befürchtet werden, was allerdings auch bedeutet, dass sich der Hersteller in Sachen Organisation und Marketing weiterbilden muss, wobei sie den Vorteil nutzen und aus Fehlern des Handels lernen können. Sie können sich mit der intensiven Kundenkommunikation befassen und umgehen den typischen Fehler, den viele Händler machen: Neukunden werden geworben, die Kundenbindung findet aber nicht statt. Hersteller müssen somit zu Marketinggenies werden.
Wo kauft der Fachhandel ein?
Die Gründe für die Vertikalisierung der Hersteller sind vielfältig, die Chancen, die sich daraus ergeben, ebenso. Interessant ist aber nun die Frage, wo Facility Manager einkaufen und welche Produkte sie bevorzugen. Dabei muss zwischen reinen Hersteller-Shops und solchen, bei denen eine bestimmte Produktmarke vertrieben wird, unterschieden werden. Hersteller-Shops sind zum Beispiel:
Hier kann der Handwerker seine benötigten Produkte direkt ordern. Das ist auch bei den Shops der folgenden Auflistung möglich, wobei es sich hier um beispielhafte Onlineshops für Heimwerkerprodukte handelt. Diese Shops haben sich als Händler etabliert, offerieren ihre Produkte aber innerhalb einer bestimmten Marktnische. Diese Shops werden nicht vom Hersteller betrieben, werden dennoch mit der gewünschten Fachkompetenz gleichgesetzt:
- leuchtmittelmarkt.com (Leuchtmittel)
- farben-online-shop.de (Farben)
- leiternshop.de (Leitern)
- moertelshop.com (Mörtel)
Fakt ist, dass Verarbeiter bevorzugt beim Fachhändler einkaufen, wobei sowohl der allgemeine Baustofffachhandel als auch der spezialisierte Fachhandel hier mit einberechnet werden müssen. Der Direktvertrieb zeigt sich aber mehr und mehr als Konkurrenz für alle Händler. Das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut führte seine jährliche Trendstudie durch und ging dabei der Frage nach, ob der Fachhandel denn immer noch Anlaufstelle Nummer eins für den Einkauf von Material sei. Rund 52 Prozent der befragten Bauunternehmer, Maler, Trockenbauer und anderer Handwerker gaben bei der Umfrage an, im Fachhandel gekauft zu haben. Damit ist dies zwar die Mehrheit, aber eben nur mit zwei Prozent. Der Fachhandel bekommt Konkurrenz durch die Hersteller.
Der Vertrieb über die Hersteller hat sich zuletzt als feste Größe etabliert und gilt in den Augen aller wichtigen Bauakteure als wichtiger Distributionsweg. Bei den Befragten wurde im Rahmen der Studie festgestellt, dass immerhin schon 28 Prozent von ihnen die Materialeinkäufe direkt über den Hersteller tätigten. Rund elf Prozent des Materials werden als reine Internetkäufe beschafft.
Der Kauf über Baumärkte spielt nur eine untergeordnete Rolle, zumindest bei Fachleuten. Facility Manager und Handwerker setzen auf Profi-Qualität und die wird vom DIY-Handel scheinbar nicht erwartet. Hier wurden eher Notkäufe getätigt, weil das passende Arbeitsmaterial gerade nicht zur Hand war.
So zeigt sich, dass der Onlinehandel wächst und das auch aufgrund immer kürzer ausfallender Lieferfristen. Handwerker müssen ihre Kunden zufriedenstellen und können sich keine Strafzahlungen leisten, weil sie das benötigte Material nicht bekommen haben. Doch die Lieferungen bei Onlinebestellungen sind teilweise von einem Tag auf den anderen möglich, auch im B2B. Gleichzeitig ist die Verfügbarkeit der benötigten Materialien wichtig: Diese lässt sich online direkt prüfen.
Video: WhatzSales – Vertikalisierung
Hersteller drängen in Vertikalisierung und Direktvertrieb
Vertikalisierung und Direktvertrieb sind für viele Hersteller Aspekte einer modernen Wirtschaft, um die sie nicht herumkommen. Sie wissen aber, die Vorteile für sich zu nutzen und punkten bei den Kunden mit einem reibungslosen Einkauf, der die ganze Sortimentsbreite offenbar. Hersteller gehen strategisch vor und nutzen mittlerweile zu mehr als 50 Prozent die eigene Webseite, um hier einen Onlineshop zu bieten. Sie wissen, dass immer mehr Kunden aus dem Handwerk oder aus der Gebäudeverwaltung sowie aus allen anderen Bereichen direkt beim Hersteller ordern wollen, weil sie sich hier die beste Qualität und einen guten Service erwarten. Werden Beratungen benötigt, sind diese beim Hersteller besonders vertrauenswürdig, schließlich weiß er, wovon er spricht!
Der Direktvertrieb durch Vertikalisierung bringt den Vorteil, dass der Hersteller nicht nur seine Produkte direkt an den Endkunden veräußern kann, sondern dass er auch die volle Kontrolle über die gesamte Markenkommunikation behält. Er wird selbst zum ersten Ansprechpartner und kann Verbesserungsvorschläge seitens der Anwender direkt einarbeiten. Es lassen sich Marketingkampagnen entwickeln, die Preise können selbstständig verhandelt werden und es sind keine Zwischenhändler zu berücksichtigen oder zu vergüten. Angeboten werden können sogar die Produkte, die sich für einen Vertrieb über den Händler mangels ausreichender Lagerfläche seinerseits nur schlecht eignen.
Dennoch: Für Hersteller bleiben Retailer eine tragende Säule und müssen in die eigene Vertikalisierungsstrategie mit einbezogen werden. Händler lassen Produkte bekannter werden, übernehmen einen Teil des Marketings und der Kundenkommunikation. Sie haben Einfluss auf den Kunden. Daher sollten Hersteller den Dialog mit Händlern suchen und ihre Distributoren gezielt aussuchen.
Hier kauft der Facility Manager zukünftig
Der Facility Manager wird auch künftig im Fachhandel kaufen. Gleichzeitig wird er aber auch beim Hersteller direkt schauen und viele Produkte, für die eine umfassende Beratung nötig ist oder die über den Hersteller schneller verfügbar sind, bei Letzterem ordern. Der Direktvertrieb spielt hier eine wichtige Rolle. Wird neues Werkzeug gebraucht und die Firma Würth bietet Vorführungen direkt im Hause der Kunden an, werden diese in Anspruch genommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde dann woanders kauft, ist sehr gering. Er wird sich an die Fachkompetenz des Vertrieblers halten und auf den Hersteller setzen, der ihn so gut beraten hat.
Es bleibt zu erwarten, dass Handwerker und Facility Manager auch künftig im Fachhandel kaufen und hier vor allem die Produkte ordern, die sie schon immer dort bezogen haben. Gleichwohl werden Internetbestellungen häufiger werden, sodass Anbieter vor Ort schlechtere Karten haben werden, wenn sie nicht gerade mit besonderen Kundenprogrammen und Boni aufwarten können. Der Anteil der Facility Manager, die beim Hersteller kaufen, wird ebenso wachsen wie die Zahl der Hersteller, die dank Vertikalisierung ihre Produkte direkt an den Kunden und nicht mehr nur über Zwischenhändler verkaufen. Mit der wachsenden Anzahl der Hersteller werden viele Handwerker und Facility Manager vielleicht auch umschwenken und auch die Produkte beim Hersteller kaufen, bei denen sie bis jetzt auf „ihren“ Retailer geschworen haben. Einen großen Anteil wird die Kundenkommunikation haben bzw. die Marketingfachkenntnis der Hersteller, die auf den Zug des Direktvertriebs noch aufspringen müssen.
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